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Nicht alles Gold, was glänzt

Der „SOLIT Go for Gold-Wertekongress 2021“ im RMCC

Ein Gastbeitrag von rewiu – Recherchegruppe Wiesbaden und Umgebung

Edelmetalle als vermeintlich krisensichere Wertanlage liegen schon lange im Trend. Insbesondere Gold steht hoch im Kurs. Immer wieder versuchen windige Geschäftsleute, mit perfiden Mitteln hieraus Kapital zu schlagen.

Manche Anlageberater mit Faible für Edelmetalle heizen auch Ängste gezielt an, um daraus ihren Profit zu schlagen. Sie bedienen sich hierbei mitunter verschwörungsideologischer Untergangsszenarien und zeigen auffällig häufig eine Nähe zu neurechten Verfallstheorien wie auch bisweilen zu extrem rechten Akteur:innen.

Der „Wertekongress“ in Wiesbaden

Am 18. und 19. September 2021 soll im Wiesbadener RheinMain CongressCenter (RMCC) der SOLIT Go for Gold-Wertekongress 2021 stattfinden. Veranstaltet wird dieser von der SOLIT-Gruppe, ein Anbieter von Edelmetallen als Wertanlage mit Sitz in Wiesbaden.

Unter dem Motto „Zeitenwende – Zeit für echte Werte! Zeit für den SOLIT Go for Gold-Wertekongess 2021“, wie es in einem Werbevideo zum mehrmals verschobenen Kongress heißt [1], soll es dabei nicht nur um den Wert des Goldes, sondern neben Finanzen auch um Politik, Medien und gesellschaftliche Entwicklungen gehen. Denn es sei Zeit für „unzensierte Fakten, unabhängige und Kompetente Informationen“, Zeit für „wahre Werte“ wie freie Meinung, freie Märkte und freie Währung.

Der Begriff „Werte“ wird hier also in seiner Mehrdeutigkeit genutzt. Ein tiefergehender Blick auf die geladenen Gäste sowie die Veranstalter verrät schnell: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Neben mehr oder weniger bekannten wie teils in Wirtschaftskreisen renommierten Gästen wie Hans-Werner Sinn, Otmar Issing oder Daniel Stelter, sollen sich beim „Wertekongress 2021“ in Wiesbaden mit Max Otte und Daniele Ganser nämlich auch Referenten einfinden, die u.a. durch die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, NS-Relativierungen und einer Nähe zur extremen Rechten bestechen.

Die geladenen Gäste und ihre „Werte“ – Teil I: Max Ottes „Durchblick“

Der „geschäftstüchtige Demagoge“ [2] Max Otte beispielsweise warnt seit 15 Jahren durchgängig wie auch aktuell vor einem „Weltsystemcrash“. Auf dem Wertekongress soll er den Wert des „Durchblicks“ vertreten, wie es im Programmtext heißt. Dabei fiel Otte, der noch bis vor kurzem Kuratoriumsvorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung war und nun als Bundesvorsitzender der CDU/CSU-nahen „Werteunion“ fungiert, in der Vergangenheit vor allem dadurch auf, den Schulterschluss mit der extremen Rechten zu suchen [3] und Verschwörungsmythen zu verbreiten.

So soll es auch in seinem Beitrag beim Wertekongress zuvorderst um den „Great Reset“ gehen. Die gleichnamige Initiative des Weltwirtschaftsforums, welche ein Umdenken im globalen Wirtschaften hin zu Nachhaltigkeit und mehr technologischer Innovation im Nachgang der Corona-Krise zum Ziel hat, dient Verschwörungsgläubigen als Beweis eines geheimen Plans „globaler Finanzeliten“ zur Einrichtung einer „Neuen Weltordnung“. Insbesondere bei Pandemie-Leugner:innen wie „Querdenken“ und neurechten Gruppierungen wie der „Identitären Bewegung“ fand dieser Verschwörungsmythos in den letzten Monaten enorme Verbreitung. Otte knüpft hier gezielt an, wenn er seinen Auftritt beim Wertekongress unter das Motto stellt  „Weltsystemcrash: Corona, Reset und die Geburt einer neuen Weltordnung“. Ohnehin verbreitete Otte bereits unzählige verschwörungsideologische Inhalte und sprach bei Querdenken-Demonstrationen [4]. Seine ideologische Nähe ist bekannt: So verglich er im November 2020 die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes ganz im Sinne der Propaganda von Querdenken & Co. mit dem nationalsozialistischen Ermächtigungsgesetz [5].

Max Otte bei einer Querdenken-Demonstration in Darmstadt. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=KKO7GAxDGAc

NS-Relativierungen und Geschichtsrevisionismus sind für Otte jedoch nicht neu: Als es beispielsweise in Chemnitz 2018 zu rassistischen Ausschreitungen kam, bezeichnete er die öffentliche Kritik daran als „neuen Reichstagsbrand“ der zur „offiziellen Verfolgung politisch Andersdenkender“ führe. Während sich also Neonazis Straßenkämpfe lieferten, stilisierte er diese zu Opfern und rückte die Ablehnung dessen in die Nähe der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik; klassische Täter-Opfer-Umkehr [6].

Dass er solche Umdeutungen aus dem Effeff beherrscht, zeigte sich auch 2019 nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den über Jahrzehnte aktiven, aus Wiesbaden stammenden Neonazi Stephan E. So relativierte er die Tat und positionierte sich gegen eine angebliche Hetze gegen rechts, trotz gleichem Parteibuch wie Lübcke, was zu heftiger CDU-interner Kritik und Forderungen nach einem Parteiausschlussverfahren führte [7].

Sowieso ist Ottes Nähe zur AfD kein Geheimnis. Nicht nur war er bis vor Kurzem Kuratoriumsvorsitzender der Desiderius-Erasmus-Stiftung; er hat sich auch 2017 schon ganz offen dazu bekannt, die AfD statt seiner eigenen Partei zu wählen. Er wirbt seitdem auch für eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD; wenig verwunderlich, betreibt er selbst diese Zusammenarbeit doch intensiv. Seit 2018 veranstaltet Otte das „Neue Hambacher Fest“, das einen Vernetzungspunkt von Konservativen, Rechtspopulisten und extremer Rechten darstellt [8]. Inwiefern sein Hang zu Verschwörungsmythen, die geschichtsrevisionistischen Ausfälle und seine Nähe zur extremen Rechten Eigenschaften sind, die ihn qualifizieren, um beim Wertekongress den Wert des „Durchblicks“ zu vermitteln, erscheint zumindest zweifelhaft.

Die geladenen Gäste und ihre „Werte“ – Teil II: Daniele Gansers „Achtsamkeit“

Für mehr „Achtsamkeit“ soll auf dem Wertekongress Daniele Ganser sorgen. In seinem Beitrag schaue er „hinter die Kulissen der Macht“ und wolle für einen achtsamen Medienkonsum werben, wie es im Ankündigungstext heißt. Dass er überall dunkle Mächte wittert, welche die Geschicke der Welt lenken, ist lange bekannt; und gerade hierfür ist er zu einem „Star“ der verschwörungsideologischen Szene geworden. Der Amerikanist Michael Butter bezeichnet Ganser gar als „derzeit bekanntesten Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Raum“ [9]. Der Schweizer Historiker ist seit 2005 mit seinem thematischen „Dauerbrenner“ unterwegs, nämlich Verschwörungserzählungen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Und auch in der Ankündigung zum Wertekongresses wird der Anschlag auf das World Trade Center als ein Beispiel benannt, das grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Presse befeuern soll. Zudem werden Zweifel an der medialen Berichterstattung zur Corona-Pandemie angedeutet.

Ganser ist sehr umtriebig. So finden sich beispielsweise bei YouTube zig Interviews mit ihm, seine Vorträge sind sehr nachgefragt und ziehen nicht selten ein vergleichsweise großes Publikum an. Das Rampenlicht genießt Ganser, der nach eigener Aussage mit allen rede [10]. So gab er in der Vergangenheit bereits u.a. dem russischen Staatssender RT Deutsch oder KenFM von Ken Jebsen, der „den Holocaust als PR-Aktion bezeichnete und heute verbreitet, dass Bill Gates, vermittelt durch die WHO, die deutsche Regierung kontrolliere“, ausführliche Interviews [11]. Er trat bei der „Anti-Zensur-Koalition“ des schweizerischen, extrem rechten Sektenführers Ivo Sasek auf und teilte sich dort die Bühne mit bekannten Holocaustleugnern [12], ließ sich vom extrem rechten, auf Esoterik und Desinformation spezialisierten KOPP-Verlag zu Vorträgen einladen oder diskutierte mit dem verurteilten Rechtsextremist und Gründer der rechtsterroristischen Wehrsportgruppe Hoffmann Karl-Heinz Hoffmann beim extrem rechten Compact-Magazin, moderiert vom Chefredakteur Jürgen Elsässer, über das Oktoberfestattentat [13].

Daniele Ganser, Jürgen Elsässer und Karl-Heinz Hoffmann, Gründer der rechtsterroristischen Wehrsportgruppe Hoffmann. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=1YfmpZDXcR0

Ganser ist stets darum bemüht, als seriöser Experte aufzutreten. Butter attestiert ihm, die „Technik des ‚Nur-Fragen-Stellens‘“ [14] perfektioniert zu haben, und zeichnet anhand einer Fallstudie nach, wie er „geschickt, aber auch sehr manipulativ“ mit Fakten umgeht, um seine Verschwörungserzählungen zu verbreiten.

Und so soll ausgerechnet Ganser beim Wertekongress aufzeigen, was „Fake News“ sind und was ehrliche Berichterstattung, sowie skizzieren, „wie man den eigenen Medienkonsum achtsam gestalten kann“. Dass diese „Achtsamkeit“ vor allem daraus besteht, grundsätzliche Zweifel an journalistischer Berichterstattung im Sinne der extrem rechten „Lügenpresse“-Propaganda zu säen, ist anzunehmen. Ganser soll so quasi den Boden bereiten für die Krisenerzählungen und Untergangsszenarien der „Crash-Propheten“, die mit dem Verkauf von Edelmetallen sowie ihren Büchern Geld machen. 

Krisenangst lässt die Kassen klingeln: Die SOLIT Gruppe und ihr Geschäftsführer

Referent, (Mit-)Veranstalter sowie Geschäftsführer der SOLIT Gruppe ist Robert Vitye. Im Netz kursieren zahlreiche Videos, in denen er seinem Hauptbetätigungsfeld nachgeht und für Gold als stabile und krisensichere Anlage wirbt. Dazu gehört, dass auch er, wie in seiner Zunft der „Crash-Propheten“ üblich, quasi permanent vor vermeintlichen ökonomischen Zusammenbrüchen und existenziellen Krisen warnt. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass Vitye sich einiger derselben Narrative bedient wie seine oben genannten Gäste.

So vergleicht Vitye auf seinem öffentlichen Twitter-Profil beispielsweise Merkel mit Mao und unterstellt ihr, willentlich das Leben von 100.000den von Kindern zu gefährden, oder sieht im Zuge der Corona-Pandemie einen totalitären Überwachungsstaat in der Bundesrepublik aufziehen. Covid-19 – oder wie er suggeriert „Covid1984“ – scheint für Vitye nur minder gefährlich zu sein: Die Infektionsschutzmaßnahmen und Bekämpfungsstrategien hält er für falsch. Unterfüttert wird dies u.a. mit einem der (pseudo-)wissenschaftlichen Feigenblätter der „Querdenken“-Bewegung, Sucharit Bakhdi, der kürzlich mit antisemitischen Aussagen von sich reden machte [15].

Ohnehin hat Vitye keine Berührungsangst mit verschwörungsideologischen Akteur:innen. So teilt er Tweets von KenFM, welche die Verschwörungserzählungen rund um Bill Gates anheizen.

 

Er folgt „Querdenken“-Kanälen genauso wie „alternativen Medien“ der extremen Rechten mit Hang zu Verschwörungsmythen wie das bereits benannte KenFM, aber auch Wissensmanufaktur, NuoViso, Journalistenwatch, Breitbart News oder Klagemauer.TV vom oben erwähnten, extrem rechten Sektenführer Ivo Sasek. „Die Freiheit“ gehört auf Twitter ebenso zu seinem Informationspool wie diverse Mitglieder der AfD oder Kanäle von QAnon-Anhänger:innen.

Vitye scheint demnach auch ideologisch seinen Gästen nahezustehen: Der Geschäftsführer von SOLIT folgt bekannten extrem rechten wie auch verschwörungsideologischen Multiplikator:innen und bindet ihre Narrative in seine öffentlichen Social-Media-Aktivität ein. Man könnte meinen, dies sei „Privatsache“. Als Referent und (Mit-)Veranstalter eines Kongresses ist es jedoch alles andere als irrelevant, wenn hier gezielt Verschwörungsmythen und entsprechenden Referenten ein Raum geboten werden soll. In Anbetracht der öffentlichen Äußerungen sowie mit Blick darauf, aus welchen Quellen Vitye seine Informationen zieht, wird mehr als deutlich, dass der „Wertekongress“ eben mehr als eine bloße Informationsveranstaltung über Gold als Wertanlage ist.

Goldenes Zeitalter für Verschwörungs­mythen in Wiesbaden?

Ein genauerer Blick auf den „SOLIT Go for Gold-Wertekongress 2021“, der am 18./19. September 2021 im RMCC stattfinden soll, offenbart somit: Was hier zusammenkommt, ist eine perfide Mischung. Während einerseits mit einer vermeintlich professionellen Distanz über angeblich sichere Wertanlagen informiert werden soll und hierzu auch teils renommierte Wirtschaftswissenschaftler herangezogen werden, wird andererseits zentralen Multiplikatoren von Verschwörungsmythen und ihren Narrativen ein Podium geboten.

Ein Ziel ist, mit Untergangsszenarien und Verfallserzählungen bei den Kongressgästen Ängste zu schüren, um verunsicherte Anleger:innen zu überzeugen, ihr Erspartes in Gold zu investieren. Dafür werden auch Redner eingeladen, die immer wieder mit Brückenschlägen zur extremen Rechten in Erscheinung getreten sind. Dass der Veranstalter hier keine Berührungsängste hat, zeigen seine öffentlichen Social-Media-Aktivitäten.

Dabei haben Verschwörungsmythen ohnehin spätestens seit der Corona-Pandemie Hochkonjunktur. Ob „Querdenken“, Neue Rechte oder klassische Neonazis: Sie alle versuchen, mit verschwörungsideologischer Propaganda Kapital aus der Pandemie zu schlagen. Und auch in Wiesbaden gab es über die letzten eineinhalb Jahre bereits eine ganze Reihe an Anläufen, dies auch auf der Straße zu tun.

Umso erstaunlicher, dass dem „Wertekongress“ mit seinem verhängnisvollen Grundsetting bisher relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Denn auch wenn dieser versucht, sich einen seriösen Anstrich zu geben: Ein kurzer Blick reicht, um zu erkennen, dass der „Wertekongress“ eben auch zur Verbreitung von Verschwörungserzählungen dient.

Ein Gastbeitrag von rewiu – Recherchegruppe Wiesbaden und Umgebung

Quellen

[1]https://www.youtube.com/watch?v=5VTl0s_Zp-s

[2]https://www.spiegel.de/wirtschaft/finanzkrise-was-an-den-argumenten-der-crash-propheten-dran-ist-a-1302526.html

[3]https://twitter.com/BS_AnneFrank/status/1338042534430433280

[4]https://www.rnd.de/politik/naehe-zu-afd-und-querdenkern-werteunion-waehlt-max-otte-zum-vorsitzenden-LXZ5SJGVM5F2VN5EJACU67O7S4.html

[5]https://twitter.com/maxotte_says/status/1327150253477416961

[6]https://www.fr.de/politik/historiker-kritisieren-afd-nahe-stiftung-11038204.html

[7]https://www.tagesspiegel.de/politik/forderung-der-werteunion-cdu-soll-max-otte-nach-luebcke-tweet-ausschliessen/24477236.html

[8]https://www.spiegel.de/politik/deutschland/max-otte-warum-zum-neuen-hambacher-fest-viele-rechte-und-afd-anhaenger-auf-einen-berg-laufen-a-00000000-0003-0001-0000-000002351980

[9]Butter, Michael: „Nichts ist, wie es scheint“. Über Verschwörungstheorien, Berlin: Suhrkamp., 2018, S. 83.

[10]https://www.heise.de/tp/features/In-Deutschland-darf-man-mit-gewissen-Leuten-nicht-sprechen-3263494.html

[11]https://www.nzz.ch/gesellschaft/wie-daniele-ganser-der-corona-skepsis-den-boden-bereitete-ld.1598675

[12]https://www.saiten.ch/hsg-dozent-referiert-bei-sekten-guru/

[13]https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/muenchner-oedp-laedt-verschwoerungstheoretiker-ein-art-342830

[14]Butter 2018, S. 83.

[15]https://taz.de/Die-Basis-Kandidat-Sucharit-Bhakdi/!5781717/

Bildquellen

„Zeitdokument: Daniele Ganser im Gespräch mit Karl Heinz Hoffmann“, „compactTalk“, www.youtube.com/watch?v=1Y­fmpZDXcR0, screenshot vom 22.8.2021

„Max Otte – Seine Rede bei der Demo in Darmstadt“, Privatinvester-TV, https://www.youtube.com/watch?v=KKO7GAxDGAc, screenshot vom 22.8.2021

twitter.com/RVitye/status/1261267216072392706, abgerufen am 22.8.2021

twitter.com/RVitye/status/1255486821422772234, abgerufen am 22.8.2021

twitter.com/RVitye/status/1248858700640661505, abgerufen am 22.8.2021

nicht mehr abrufbar, Account nicht mehr existent

twitter.com/RVitye/following, abgerufen am 22.8.2021