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Goldene Geschäfte?

Wie die SOLIT-Gruppe mit rechter Panikmache verdient

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Im Rhein-Main-Gebiet breiten sich zunehmend Finanzunternehmen aus, die rechte Propaganda nutzen, um Edelmetalle und weitere Finanzprodukte an ängstliche Kund*innen zu verkaufen. Mit einem „All-in-one-Vermögensschutz” wirbt auch die in rechten Finanzkreisen gut vernetzte SOLIT-Gruppe aus Wiesbaden.

Der Besuch der Webseite der Wiesbadener SOLIT-Gruppe dürfte aufmerksame Leser*innen stutzig machen. SOLIT zeichnet das Bild eines heillos überschuldeten Staates, der auf Grund steigender Abgaben an den „Sozialblock” – gemeint sind alle Bürger*innen, die keine Einkommenssteuer zahlen – zunehmend die vermeintlichen Leistungsträger*innen der Gesellschaft durch zusätzliche Steuern belaste. Diese müssten ihr Vermögen vor den Fängen des Staates, der Notenbanken im Speziellen und der Banken im Allgemeinen retten, suggeriert der Beitrag. Sicherheit soll eine „zeitlose Vermögenssicherung” durch Investitionen in Edelmetalle bieten, da diese nie ihre „innere Kaufkraft“ verlieren würden. Geworben wird auch mit vielen Sonderregulungen um die Besteuerung von Edelmetallen, welche die Vermeidung von Steuern bei dieser Geldanlage ermöglichen.

„Freiheit statt Sozialismus“

Diese Kundeninnformationen von SOLIT entsprechen den Theorien des einflussreichen rechtslibertären Vordenkers Ludwig von Mises (1881-1973), wonach staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, wie in der heutigen „sozialen Marktwirtschaft“ üblich, jederzeit in Sozialismus umschlagen könnten und nur das Primat des Privateigentums – also Liberalismus – Freiheit bringe. Expliziter werden die Verweise der Geschäftsführer von SOLIT, Robert Vitye und Hans Christian Sünkler, auf Twitter: Vitye sieht in Angela Merkel eine vermeintliche Sozialistin, rückt sie in die Nähe der DDR und Mao-Tse tung. Staatsschulden bezeichnet er als „Seuchen-Sozialismus“. Vitye verweist auf den Erfolg eines Buches des US-Amerikanischen Anti-Antifa Autoren Andy Ngo und freute sich über die Ankündigungen Donald Trumps ein Verbot der Antifa anzustreben. Sünkler befürwortet neue rassistische Gesetze in Dänemark zur Begrenzung der Anzahl „nicht-Westlicher“ Einwohner*innen in Stadtteilen und spricht von „sozialistische[r] Hybris“ mit Verweis auf Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Beide verbreiten die in rechten Finanzkreisen verbreitete Falschbehauptung, Zentralbanken seien eine Erfindung des Marxismus. Sie verweisen auch auf den rechtslibertären Ökonomen Roland Baader (1940-2012), ein Verfechter der Theorien von Mises. Sie übernehmen Baaders Begriff „Geldsozialismus“, wonach Staatsschulden und Zentralbanken „sozialistische“ Maßnahmen seien.

Finanzforum der „Crash-Gurus”

Seit 2019 bietet SOLIT eine Veranstaltungreihe unter dem Titel „Go for Gold Events“ an. Mittels Vorträgen werden eigene politische Ansichten neben Finanzprodukten vermarktet, während potenzielle Kund*innen zusätzlich Eintritt für diese Informations- und Werbeveranstaltung zahlen. Ein voller Gewinn also für die Veranstalter. Im ersten Jahr trat neben Robert Vitye auch Markus Krall auf (s. LOTTA Nr. 79, S. 44), Geschäftsführer des Frankfurter Goldunternehmens Degussa. Der extrem rechte Agitator Krall spricht in seinem Bestseller „Die Bürgerliche Revolution“ (2020)  von einer „Indoktrination“ der Bürger*innen durch „Einheitsmedien“ und einer baldigen „epochalen Wirtschaftskrise“, welche zu einer „kommunistischen Revolution“ durch ein Bündnis aus „Antifa“ und „Islamisten“ führen werde. Dann müsse die „Leistungselite“ eine „bürgerliche Revolution“ gegen „neofeudalistische Sozialisten“ beginnen. Neben Krall traten auch die Bestsellerautoren und Finanzunternehmer Marc Friedrich und Matthias Weik in München, Leipzig und Frankfurt auf. Sie eint die stetig wiederholte Prophezeiung einer angeblich bevorstehenden Finanzkrise, einem „Crash”, der die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern werde. Vermögensschutz sollen ihre Finanzempfehlungen und die von ihnen angepriesenen Produkte bieten. Angst machen und Abkassieren scheint das Verkaufsmodell zu sein.

Für September 2021 kündigt SOLIT in Wiesbaden eine Finanzkonferenz mit dem Verschwörungsmythiker Daniele Ganser, Max Otte (s. LOTTA Nr. 80, S. 46), Markus Krall, Marc Friedrich und dem gefragten Wirtschafswissenschaftler Hans-Werner Sinn an.

Das Unternehmens­geflecht

SOLIT wurde 2012 in Wiesbaden vom ortsansässigen Tim-Florian Schieferstein mitgegründet. Bereits 2015 wurde SOLIT von der Wiesbadener VSP Holding AG, gegründet von Thomas Hellener und Robert Vitye, übernommen.

Zur VSP gehören ebenfalls GoldSilbershop.de und der Online-Marketing-Dienstleister Treefish GmbH, welche jeweils von Schieferstein mitgegründet wurden. GoldSilbershop.de verfügt über zwei Ladengeschäfte in Mainz und Wiesbaden. Sichtbarkeit für das Unternehmen in sozialen Medien erzeugte Schieferstein vor allem über YouTube-Videos, in denen er für Gold und andere Edelmetalle warb. Die Videos dieses niedrigschwelligen Informations- und Werbeangebot erreichten teilweise hunderttausende Klicks.

Seit 2017 bietet SOLIT in Kooperation mit der BayernLB ein Edelmetalldepot an, das primär über Sparkassen vertrieben wird. In diesem Zeitraum war Wolfgang Lazik, damals noch Ministerialdirektor des Bayerischen Finanzministeriums unter Markus Söder, Mitglied des Aufsichtsrates der BayernLB. Seit Februar 2020 leitet Lazik die Holdinggesellschaft Substantia AG des Milliardärs August von Finck jr., zu der auch Degussa gehört. In einem Interview mit Citywire gab Hellener im Juli 2020 an, dass 35 Raiffeisen- und Volksbanken sowie 90 Sparkassen das Edelmetalldepot vertrieben. Ob die Geschäfte der SOLIT eine solide Grundlage haben bleibt indes fraglich: laut Handeslregisterauszug machte das Unternehmen zwischen 2013 und 2019 Verluste von über drei Millionen Euro.

Ebenfalls im Jahr 2017 legte SOLIT gemeinsam mit Marc Friedrich und Matthias Weik den heutigen „SOLIT Wertefonds” auf. Friedrich und Weik prognostizieren seit 2012 stetig einen vermeintlich drohenden „Finanzcrash” und plädieren für Anlagen in „physische Werte”. Entsprechend investiert der Fonds primär in Gold und Silber, Minenaktien, Bargeld, Diamanten, Grundstücke und Immobilien, aber auch in Bitcoin. Stiftung Warentest kritisierte den Fonds in einem Gutachten von 2020 für dessen ethisch fragwürdige Anlagepolitik, für zu hohe Gebühren und eine weit unterdurchschnittliche Wertentwicklung.

Über SOLIT Canada werden auch Geschäfte in Nova Scotia, Kanada, gemacht. Wie Der Spiegel im Juli 2020 berichtete verdient ein Netzwerk um Eva Hermann, Andreas Popp und Frank Eckhardt, der als Grundstücksvermittler auftritt, an deutschsprachigen rechten Auswanderer*innen, welche die Angst vor dem Zusammenbruch nach Kanada führt. Hunderte sollen hier bereits Grundstücke zu überhöhten Preisen erworben haben, um in nationalistischer Gemeinschaft zu leben. Diese Geschäftsmöglichkeit nutzt auch SOLIT seit Jahren und bietet neben Grundstücken auch Edelmetallkäufe und Lagerung vor Ort an.

von Carl Kinsky, mit freundlicher Genehmigung von „Lotta – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen“